Membranproteine

Ein wesentlicher Forschungsschwerpunkt unserer Arbeitsgruppe ist die Untersuchung von Membranproteinen. Im Gegensatz zu anderen strukturbiologischen Methoden erlaubt dabei die Verwendung von Festkörper-NMR-Spektroskopie eine Charakterisierung der Proteine in fast-nativen Lipidmembranen, bei Raumtemperatur und unter physiologischen Pufferbedingungen. Ein aktuelles Forschungsprojekt befasst sich z.B. mit nicht-selektiven Kationkanälen wie NaK, welcher sowohl Natrium (Na+) als auch Kalium (K+) über eine Membran transportieren kann (siehe Abbildung). Im Gegensatz zu Ergebnissen aus kristallographischen Experimenten konnten wir zeigen, dass der Selektivitätsfilter von NaK in Lipidmembranen zwei verschiedene Konformationen annimmt, welche jeweils von den zugegenen Na+- oder K+-Ionen stabilisiert werden. Diese Strukturen wurden mit Hilfe von Festköper-NMR-Daten und molekulardynamischen Computersimulationen errechnet. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass die strukturelle Variabilität des Selektivitätsfilters sowie die Abhängigkeit der Struktur desselben von der Art der anwesenden Ionen essentielle molekulare Mechanismen für effizienten Transport verschiedener Kationen durch nicht-selektive Ionenkanäle darstellen (Shi et al., Nature Communications 2018). In einer weiteren Studie am K+-selektiven Kanal NaK2K konnten wir zeigen, dass der Selektivitätsfilter ausschließlich mit K+-Ionen gefüllt ist. Dies widerspricht der bisherigen Annahme, dass auch einzelne Wassermoleküle in den Leitungsmechanismus involviert sind (Öster er al., Science Advances 2019). In weiteren Forschungsprojekten befassen wir uns mit dem humanen spannungsabhängigen Anionenkanal (human voltage-dependent anion channel VDAC) (Schneider et al., Angewandte Chemie 2010; Zachariae et al., Structure 2012), der Histidine-Kinase CitA (Salvi et al., PNAS 2017), und Rhomboidproteasen. Diese lösen in Zellen Signalkaskaden aus, indem sie Proteine in der Zellmembran schneiden, und so Signalproteine freisetzen. Vor Kurzem haben wir eine weitreichende stukturelle und dynamische Charakterisierung der Rhomboidprotease GlpG in Liposomen veröffentlicht, in welcher neben strukturellen Eigenschaften auch die Bewegungen der sogenannten „gating helix“, welche dem Substrat den Zugang zum aktiven Zentrum ermöglicht, beleuchtet wird (Shi et al., JACS 2019). Darauf folgend untersuchten wir außerdem das Bindungsverhalten verschiedener Inhibitoren mit einem kombinierten Ansatz aus NMR-Messungen, biochemischen Assays und molekulardynamischen Simulationen (Bohg et al., Chemical Science 2021). Mittels Wasserstoff/Deuterium Austausch-Experimenten konnten hier Residuen identifiziert werden, welche durch das Binden des entsprechenden Inhibitors vom umgebenden Lösungsmittel abgeschirmt werden. Weiterhin konnten allosterische Effekte und strukturelle Dynamiken aufgrund der Inhibitorbindung beschrieben werden. Letztendlich war es so möglich, mit unseren NMR-Daten und Docking- sowie molekular dynamischen Simulationen die Bindungsmodi der Inhibitoren zu bestimmen.